In Memoriam Papst Benedikt

16 Sonderausgabe 12/2022 Erinnerungen von Prof. Dr. Wolfgang Beinert „Im tiefsten Sinn ein Daheim!“ Wenn sich die Jahre eines Lebens neigen, richten sich die Augen auf die Zeitstrecke, die einer zurückgelegt hat, fragen nach der Ernte langen und reichlichen Säens. Das trifft unbestreitbar auf alle Menschen zu, in besonderer Weise allerdings auf jene, die eine herausgehobene Existenz aufweisen. Wenn es jemanden gibt, auf den das punktgenau zutrifft, dann ist es Joseph Alois Ratzinger. Die Exzellenz seiner Anlagen und Gaben hat sich früh gezeigt. Ich war ihm das erste Mal im Herbst 1962 begegnet. Joseph Ratzinger, damals in Bonn lehrender Professor und gerade 35 Jahre alt, hatte einen außerordentlichen Ruf als moderner, aufgeschlossener, demWollen des Konzilspapstes Johannes XXIII. verpflichteter Theologe. Sein Ruhm wuchs dann stetig weiter. Wir kennen die Stationen: Professuren in Bonn, Münster, Tübingen und hier in Regensburg, Erzbischof von München und Freising, Präfekt der Glaubenskongregation und engster Berater Johannes Pauls II., endlich Nachfolger des hl. Petrus auf der Cathedra von Rom – Benedikt XVI. Wir wissen noch nicht, welche Position ihm die Historiker im Rahmen der Papstgeschichte einräumen werden - als „großer“ oder, wie er sich selber in einer der ersten Reden als Pontifex charakterisiert hat, als „kleiner“ Papst – was immer mit diesen Qualifikationen auch gemeint sein mag? Wir vermögen jetzt und hier aber eines: Wir können gewissermaßen die Puzzlesteine zusammensammeln, aus denen das Bild dieses Mannes sich rückblickend zusammensetzen wird. An erster Stelle sei zu nennen, dass Joseph Ratzinger die Geschichte unseres Ortes nachdrücklich und wohl auch nachhaltig geformt hat als Mitbürger, Ehrenbürger und erster regelmäßiger Seelsorger von Pentling. Wir alle haben ein wenig und je auf unsere Weise dazu beigetragen, dass der damalig frischgewählte Papst auf der denkwürdigen Audienz für die Pentlinger am 08. September 2005 in Castel Gandolfo bekennen konnte: „Pentling ist für mich im tiefsten Sinn ein Daheim!“ Er blieb hier auch immer daheim. Dafür bürgen in unserem Gotteshaus, der Papstkirche, der Altar vom Islinger Feld, an dem er 2006 zelebrierte, der Ambo, von dem aus er Gottes Wort an die Regensburger verkündet hat, und das Messgewand mit seinemWappen. Wir stehen schon beim zweiten großen Puzzlestein, beim teilweise hier entstandenen immensen theologischen Oeuvre Ratzingers. Man gab ihm gern den Beinamen „Theologenpapst“. Wohl niemand im 20. Jahrhundert hat ein quantitativ wie qualitativ so umfangreiches Werk verfasst wie er. An dritter Stelle ist anzuführen, dass Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. tiefen Einfluss gehabt hat auf das Leben und Wirken der römisch-katholischen Kirche und über sie auch auf die gesamte christliche Ökumene. Und dabei darf nicht fehlen, dass er mit seinem freiwilligen Rücktritt am Rosenmontag 2013, dem ersten eines regierenden Papstes seit 1294, ein mutiges Zeichen gesetzt hat, dessen ganze Wirkungsbreite auch heute noch nicht vollständig fassbar ist. Noch einen letzten, wesentlichen Puzzlestein habe ich vorzulegen. Das war die demütige Spiritualität Joseph Ratzingers. Er war von Jugend auf im besten Sinn geprägt von einer altbayerischen Frömmigkeit. Die ist ganz schlicht, ganz einfach – und doch ganz tief, des Theologen würdig. Ihr Zentrum ist Christus selber, dessen Geheimnis er ein ganzes Leben lang nachspürte. Gegen Ende der Enzyklika „Deus caritas est“ (Nr. 39) schrieb Papst Benedikt XVI.: „Die Liebe ist das Licht – letztlich das einzige – das eine dunkle Welt immer wieder erhellt und ihr den Mut zum Leben und Handeln gibt. Die Liebe ist möglich und wir können sie tun, weil wir nach Gottes Bild geschaffen sind. Die Liebe zu verwirklichen und damit das Licht Gottes in die Welt einzulassen – dazu möchte ich mit diesem Rundschreiben einladen.“ Joseph Alois Ratzinger hatte sein Leben lang versucht, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Wir wollen diesem, seinem Appell gerecht werden. Wir danken ihm, wir ehren ihn, indem wir selber aus und in Liebe Mut zu dem uns aufgetragenem Handeln finden. Nach der Ansprache beim Empfang der Gemeinde Pentling anlässlich des 90. Geburtstages von Ehrenbürger Papst emeritus Benedikt XVI. am 17. April 2017

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